Unternehmensgründer:innen (insbesondere Kleinunternehmer:innen) und UID-Nummern
Überlegungen zur Unternehmensgründung, zur Kleinunternehmerregelung und zur Vergabe von UID-Nummern
In der Gründungsphase eines Unternehmens stellt sich oft die Frage, ob die für Kleinunternehmer vorgesehene Schwelle von 35.000 EUR Jahresumsatz erreicht wird. Kleinunternehmer sind unecht steuerbefreit, das heißt, sie müssen keine Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen, dürfen eine solche allerdings auch nicht auf ihren Rechnungen ausweisen und sind zusätzlich vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen.
Beispiel 1:
Ein Unternehmensgründer hat keine oder geringe Anschaffungskosten (sowohl hinsichtlich Anlagegüterinvestitionen als auch hinsichtlich Betriebsmittelaufwendungen) bei der Betriebsgründung, seine Kunden sind vorwiegend Private und in seinem Businessplan sind für die nächsten Jahre Umsätze unter 35.000 EUR vorgesehen. In diesem Fall dürfte für unseren Unternehmensgründer die Kleinunternehmerregelung günstiger sein. Er hat weniger Verwaltungsaufwand und seine Kunden sind, da es sich um Private handelt, ohnehin nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt.
Beispiel 2:
Die Unternehmensgründerin hat große Anschaffungen getätigt, zB neue Maschinen, und damit auch hohe Vorsteuerbeträge angehäuft. Außerdem sind ihre Kunden überwiegend aus dem Unternehmenssektor, die gewohnt sind, Rechnungen mit Umsatzsteuer zu erhalten. Zusätzlich ist im Businessplan vorgesehen, innerhalb von 3 Jahren die Kleinunternehmergrenze zu überschreiten.
In diesem Fall dürfte es jedenfalls günstiger sein, von Beginn an zur Regelbesteuerung zu optieren, damit die Vorsteuern aus den Anschaffungskosten geltend gemacht werden können. Außerdem bleibt ein späterer Umstieg bei Überschreiten der Kleinunternehmergrenze erspart, bei dem dann die Umsatzsteuer nachzuzahlen wäre (siehe dazu auch Infoseite Kleinunternehmerregelung (Umsatzsteuer).
Neben der Überlegung freiwillig in die Regelbesteuerung zu optieren, stellt sich für viele Jungunternehmer:innen die Frage, ob es auch unabhängig von der Kleinunternehmerregelung möglich ist, eine UID-Nummer vom Finanzamt zu bekommen bzw ob eine UID-Nummer für die Teilnahme am Binnenmarkt in jedem Fall erforderlich ist.
Ist die UID-Nummer für die Teilnahme am Binnenmarkt notwendig?
Warenimporte aus der EU
Als Kleinunternehmer ohne UID-Nummer kann man Waren aus dem EU-Binnenmarkt wie ein Privater beziehen. Unter Beachtung der Bestimmungen der Versandhandelsregelung hat der jeweilige Lieferant den Mehrwertsteuersatz des Mitgliedstaates des Verbrauches anzuwenden und somit die österreichische Umsatzsteuer zu verrechnen (seit 1.7.2021). Ein Vorsteuerabzug ist auch hier nicht zulässig. Von dieser Möglichkeit kann nur Gebrauch gemacht werden, wenn die innergemeinschaftlichen Erwerbe im vorangegangenen Kalenderjahr 11.000 EUR netto (Erwerbsschwelle) nicht überschritten haben und dieser Betrag auch im laufenden Kalenderjahr nicht überschritten wird (siehe dazu folgende Infoseiten: Der innergemeinschaftliche Erwerb und Der Versandhandel).
Beispiel 3:
Ein Kleinunternehmer bezieht einen Großteil seiner Waren, die er für sein Unternehmen benötigt, aus Deutschland. Der deutsche Lieferant berechnet 20 % österreichische Umsatzsteuer. Diese in Rechnung gestellte Umsatzsteuer kann ebenso wie jene bei Einkäufen in Österreich nicht geltend gemacht werden und verteuert den Einstandspreis der Waren.
Bei Überschreiten der Erwerbsschwelle (11.000 EUR/Kalenderjahr) wird ein Kleinunternehmer erwerbsteuerpflichtig.
Die Überlegungen, ob eine UID-Nummer beantragt werden muss oder nicht, nimmt unseren Jungunternehmer:innen meist schon der Lieferant im anderen EU-Mitgliedstaat ab. Es kommt sehr häufig vor, dass vor allem Großhändler aus Deutschland keine Lieferungen an Unternehmer tätigen, die über keine UID-Nummer verfügen. Weitere Informationen zur UID-Nummer siehe Infoseite Umsatzsteueridentifikationsnummer.
Beispiel 4:
Die Unternehmensgründerin möchte Waren aus Deutschland beziehen, bleibt unter der Erwerbsschwelle und wird auch in den nächsten Jahren weder die Erwerbsschwelle im Einkauf noch die Umsatzschwelle für die Kleinunternehmerregelung im Verkauf überschreiten. Trotzdem beantragt sie eine UID-Nummer, weil der deutsche Lieferant nur an Unternehmer:innen liefert, die über eine UID-Nummer verfügen. Er erklärt ihr, dass er Großhändler ist und jedenfalls verhindern will, dass er an Private liefert. Für ihn kommen nur solche Unternehmen als Kunden in Frage, die über eine UID-Nummer verfügen. Deshalb beantragt unsere Unternehmerin eine UID-Nummer und verzichtet auf die Erwerbsschwelle.
Sie kauft damit steuerfrei in Deutschland ein, meldet den innergemeinschaftlichen Erwerb in der Umsatzsteuervoranmeldung und bezahlt die Erwerbsteuer beim österreichischen Finanzamt. Da ihre Umsätze die relevante Grenze von 35.000 EUR nicht übersteigen, bleibt ihr Status als Kleinunternehmer bestehen. Der Verzicht auf die Anwendung der Erwerbsschwelle hat keine Auswirkung auf die Kleinunternehmereigenschaft
Dienstleistungen innerhalb der EU
Dienstleistungen eines Unternehmers an einen anderen Unternehmer gelten grundsätzlich an dem Ort als ausgeführt, von dem aus der Leistungsempfänger sein Unternehmen betreibt (Empfängerort). Für Leistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück, die kurzfristige Vermietung von Beförderungsmitteln sowie Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen gelten Sonderregelungen. Auch Kleinunternehmer gelten jedenfalls als Unternehmer, die Erwerbsschwelle (siehe oben) findet bei Dienstleistungen keine Anwendung. Liegt der Leistungsort in Österreich, sind sämtliche Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes anzuwenden. Im Allgemeinen schuldet der leistende Unternehmer die Umsatzsteuer.
Wenn dieser in Österreich allerdings weder sein Unternehmen betreibt noch eine an der Leistungserbringung beteiligte Betriebsstätte hat, geht die Umsatzsteuerschuld auf den Kleinunternehmer als Leistungsempfänger über (Übergang der Steuerschuld – Reverse Charge).
Der Kleinunternehmer hat beim örtlich zuständigen Finanzamt eine UID-Nummer zu beantragen und diese seinem ausländischen Vertragspartner bekannt zu geben. Dieser darf in einem solchen Fall keine Mehrwertsteuer in Rechnung stellen. Der Kleinunternehmer hat die Umsatzsteuer selbst zu berechnen und an das Finanzamt abzuführen, wobei kein Vorsteuerabzug möglich ist (weitere Informationen siehe Infoseite Umsatzsteuer von Dienstleistungen für ausländische Unternehmer – B2B Leistungen).
Beispiel 5:
Ein deutsches Beratungsunternehmen, das über keine inländische Betriebsstätte verfügt, erstellt für einen Kleinunternehmer einen Businessplan. Das dafür verrechnete Honorar unterliegt der österreichischen Umsatzsteuer. Das deutsche Beratungsunternehmen weist keine Umsatzsteuer auf der Rechnung aus. Der Kleinunternehmer hat die Umsatzsteuer in der Umsatzsteuervoranmeldung zu erklären und an das zuständige österreichische Finanzamt abzuführen. Ein Vorsteuerabzug steht nicht zu.
Wenn der Kleinunternehmer Dienstleistungen an einen EU-Unternehmer erbringt, gilt das eben ausgeführte spiegelbildlich. Der Leistungsort liegt demgemäß in der Regel im übrigen Gemeinschaftsgebiet und der Umsatz unterliegt daher nicht der österreichischen Umsatzsteuer. Die Steuerschuld geht im Allgemeinen auf den ausländischen Leistungsempfänger über. Der Kleinunternehmer hat beim Finanzamt Österrecih eine UID-Nummer zu beantragen und eine entsprechende (Netto-)Rechnung auszustellen.
Für derartige Umsätze (B2B – Generalklauselumsätze) ist jedoch beim Finanzamt eine sogenannte „Zusammenfassende Meldung“ (ZM) abzugeben. Anders als bei der Umsatzsteuervoranmeldung ist die Frist zur Abgabe der ZM der letzte Tag des auf den Meldezeitraum folgenden Monats.
Beispiel 6:
Ein Kleinunternehmer erbringt eine Werbedienstleistung an einen deutschen Unternehmer. Der Ort der Dienstleistung, nach dem sich die Versteuerung des Umsatzes richtet, liegt in Deutschland. Die Dienstleistung ist in Österreich weder steuerbar noch steuerpflichtig. Sofern der Kleinunternehmer in Deutschland keinen (Wohn-)Sitz noch eine Betriebsstätte hat, geht die Steuerschuld auf den deutschen Leistungsempfänger über.
Es ist daher eine entsprechende Netto-Rechnung mit UID-Nummer auszustellen und der Leistungsempfänger hat sodann die deutsche Umsatzsteuer zu berechnen und in seiner (deutschen) Umsatzsteuervoranmeldung auszuweisen. Der Kleinunternehmer hat den Umsatz dem zuständigen österreichischen Finanzamt in einer ZM zu melden.
Sollte der Kleinunternehmer Dienstleistungen an ausländische Privatkunden erbringen, ist der Leistungsort grundsätzlich (insbesondere bei B2C – Generalklauselumsätzen) jener Ort, wo das Unternehmen betrieben wird (Unternehmerort). Der Umsatz unterliegt daher im Allgemeinen der österreichischen Umsatzsteuer. Aufgrund der (unechten) Steuerbefreiung als Kleinunternehmer ist jedoch keine Umsatzsteuer zu verrechnen und abzuführen.
Seit 1.1.2015 wird bei auf elektronischem Weg erbrachten sonstigen Leistungen, Telekommunikations-, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen nicht mehr unterschieden, ob die betreffende Leistung an Unternehmer (B2B) oder an Konsumenten (B2C) erbracht wird. Alle diese Leistungen sind nunmehr am Ansässigkeitsort des Leistungsempfängers (Empfängerort) steuerbar. Erbringt daher der Kleinunternehmer derartige Dienstleistungen an ausländische Privatkunden, hat er die Umsatzsteuer des Empfängerortlandes zu verrechnen.
Damit sich der Kleinunternehmer diesbezüglich nicht im Mitgliedstaat des Leistungsempfängers registrieren lassen muss, besteht die Möglichkeit, den EU-Umsatzsteuer One-Stop-Shop (EU-OSS) zu nutzen. Die Verwendung des EU-OSS setzt eine UID-Nummer (diese wäre zunächst zu beantragen – siehe oben) sowie eine rechtzeitige diesbezügliche Registrierung voraus. Durch den EU-OSS kann der Kleinunternehmer sämtliche unter die Neuregelung fallenden Umsätze in Österreich erklären sowie die fällige (ausländische) Umsatzsteuer bezahlen.
Der Identifizierungsmitgliedstaat (in diesem Fall Österreich) nimmt die Meldungen und Zahlungen entgegen und leitet sie an jenen Mitgliedstaat weiter, in dem die erbrachte Leistung steuerbar und steuerpflichtig ist (Details: siehe Infoseite Umsatzsteuer von Dienstleistungen für ausländische Privatkunden – B2C Leistungen).
Seit 1.1.2019 gibt es folgende Neuerung:
Kleinstunternehmer mit einem Jahresumsatz von 10.000 EUR im B2C Bereich sind von der oben beschriebenen Regelung (Empfängerortprinzip bei B2C Dienstleistungen) ausgenommen und es gilt somit das Unternehmerortprinzip. Der österreichische Kleinunternehmer kann die Kleinunternehmerregelung in Anspruch nehmen und stellt die Rechnung nach österreichischem Umsatzsteuerecht ohne Umsatzsteuer aus.
Kann das Finanzamt die Erteilung einer UID-Nummer verweigern?
In letzter Zeit häufen sich Rückfragen von Unternehmensgründer:innen, weil sich das Finanzamt mit der Erteilung der UID-Nummer besonders viel Zeit lässt oder sie überhaupt nicht erteilt. Die Finanzämter überprüfen bei der Unternehmensgründung, ob es sich bei der aufgenommenen Tätigkeit um eine unternehmerische Tätigkeit oder um versteckte Dienstverhältnisse handelt.
Besonders problematisch sind jene Fälle, bei denen der Unternehmensgründer nur für einen Auftraggeber tätig wird, über keine eigenen Betriebsmittel verfügt und außerdem zeitlich an Vorgaben des Auftraggebers gebunden und in dessen Betriebsablauf eingebunden ist.
Nur bei Vorliegen der Charakteristika für eine unternehmerische Tätigkeit erteilt das Finanzamt eine UID-Nummer.